Kirchliche Seniorenarbeit im Wandel

Die Tradition der Altersarbeit in den Kirchgemeinden reicht weit zurück. Sie ist Teil des gesamten kirchlichen Lebens und hat seit vielen Jahren ihren festen Platz im bunten Strauss kirchlicher Angebote. 

Unsere Gesellschaft wird nicht nur älter, sie wird auch bunter, heterogener und mobiler. Sie wird bunter, weil in den nächsten Jahren die Zahl der Migranten weiter ansteigen wird. Und sie ist heterogener, weil zum einen die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergegangen ist und sich zum anderen die Lebensphase Alter immer weiter ausdifferenziert. 

Heute sagt das kalendarische Alter nicht mehr viel über einen Menschen aus. Soziale und demografische Veränderungen erfordern in der Altersarbeit neue Sichtweisen und Schwerpunkte 

Die betagten Menschen sind nach wie vor diejenigen, die der Kirche am höchsten verbunden sind, ihr am meisten vertrauen, sich am deutlichsten als religiöse Menschen bezeichnen und sich für den christlichen Glauben interessieren. Neuere Daten zeigen aber: Zwar bleibt die Bindung im Alter höher, aber sie differenziert sich aus. Will die Kirche die jüngeren Alten, die 60- bis 75-Jährigen, erreichen, muss sie sich dieser Zielgruppe mit ihren Angeboten zuwenden. Die jungen Alten möchten sich mit ihren eigenen Ideen und Fähigkeiten einbringen können. Sie sind zum Engagement bereit, weil die Sache sie überzeugt. Sie arbeiten gern in Projekten mit, wollen sich aber seltener auf Dauer binden. Sie sind ein Zukunftspotential für die Kirche. Im Mittelpunkt stehen für sie Partizipation, Kompetenzerhalt, Mitwirkung, Kreativität, Eigenverantwortung, Lebensfreude und soziale sinnvolle Tätigkeiten. Es geht also auch um die Erarbeitung eines neuen Altersbildes. 

Von der Teilnahme zur Teilhabe

Die Kirchgemeinden müssen die jüngeren Älteren stärker in den Blick nehmen. Sie sollten dies tun, ohne die wirklich alten Menschen, Generation 80plus, aus den Augen zu verlieren. Die klassischen Betreuungs- und Versorgungsangebote der Gemeinden für die Älteren bedürfen einer Ergänzung. Diese Angebote haben nach wie vor für die Gruppe der Hochbetagten einen unverzichtbaren Wert, reichen aber angesichts der Heterogenität des Alters nicht mehr aus. Eine seniorenfreundliche Gemeinde bietet Raum zur Teilhabe und Mitverantwortung an, die den Menschen Würde verleiht. Wer sich sozial engagiert, sich als wertvoll und gebraucht erlebt, ist zufriedener und gesünder. 

Seniorenarbeit als Gemeinwesenarbeit

Seniorenarbeit möchte die Potenziale des Alters für die Gesellschaft nutzbar machen und das soziale Engagement älterer Menschen fördern.

«Das Ziel sorgender Gemeinschaften ist immer die Inklusion der Vergessenen» 

Zitat von Cornelia Coenen-Marx, deutsche evangelische Theologin, Pastorin und Publizistin

Generationenübergreifende Projekte 

Der ehemalige Chefredaktor der Zeitschrift «Psychologie heute», Heiko Ernst, spricht in diesem Zusammenhang von Generativität. Generativität meint die Fähigkeit, von sich selbst abzusehen, für andere da zu sein, Wissen und die eigenen Erfahrungen in die Gesellschaft einzubringen, etwas an die Nachkommen weiter zu geben, z.B. im Erzählcafé mit Konfirmanden, Schreibwerkstatt, Handykurs für Betagte. Dies wäre ein Beitrag zur Generationensolidarität. 

Sorgende Gemeinschaft

Ich denke, die «caring community», die «sorgende Gemeinschaft» wird der Schlüsselbegriff für die künftige Altersarbeit sein. Aufgabe der Gemeinde wird sein, das soziale Netz der Menschen zu stärken und tragfähig zu machen sowie um die Sorge und Mitverantwortung beim Aufbau und der Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften mitzuwirken. Füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu helfen gehört zum christlichen Menschenbild. 

Eine zukunftsgerichtete Arbeit mit älteren Menschen würdigt bestehende Angebote und entwickelt im Zusammenhang mit einer strategischen Weiterentwicklung in der Kirchgemeinde neue Leitbilder und Strukturen für die Einbeziehung und Ansprache älterer Menschen – als aktive Mitgestalter, als sich sorgende und als auf Sorge Verwiesene. 

Mitgestaltende Freiwillige aller Generationen werden in der künftigen Altersarbeit eine noch wichtigere Rolle spielen. 

Christine Rauber, Sozialdiakonin