Gedanken zum Finanzplan

Gedanken zum Finanzplan 2023 bis 2027

Ist die evangelisch reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern finanziell noch tragbar?

Gedanken zum Finanzplan 2023 bis 2027

Im März 2023 hat der Kleine Kirchenrat einen Finanzplan für die Gesamtkirchgemeinde vorgelegt. Was lässt sich aus diesem Finanzplan für die Zukunft der Gesamtkirchgemeinde und der einzelnen Kirchgemeinden entnehmen? Damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann, benötigt sie finanzielle Ressourcen. Was bedeutet dieser Finanzplan für den kirchlichen Auftrag?

Welchen Zeitraum sollte ein Finanzplan für eine Kirchgemeinde im heutigen Umfeld abdecken?

Der Finanzplan der Gesamtkirchgemeinde deckt die Jahre 2023 bis 2027 ab. Das scheint im heutigen kirchlichen Umfeld für eine strategische Planung zu kurzfristig. Die Kirchgemeinde Paulus hat z.B. eine grobe Finanzplanung bis 2035 Jahre erstellt.

Gemäss Gemeindeverordnung hat ein Finanzplan die nächsten vier bis acht Jahre abzudecken. Diese Regel passt für gewöhnliche politische Gemeinden. Eine politische Gemeinde entwickelt sich normalerweise relativ stetig entwickelt und kann von einem leichten Wachstum ausgehen. In einem solchen Umfeld ist eine relativ kurzfristige und fortschreibende Finanzplanung ausreichend. Anders ist das bei einer Kirchgemeinde. Das Umfeld einer Kirchgemeinde ändert sich immer rascher. Insbesondere sind sie einem zunehmenden Mitgliederschwund ausgesetzt. Aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen im Verbund mit demographischen Entwicklungen (z.B. Pensionierung der Babyboomer) dürften die Steuereinnahmen in den nächsten zehn Jahren deutlich sinken. Der Druck könnte steigen, die Kirchensteuern der juristischen Personen abzuschaffen. Entscheide mit längerfristigen Auswirkungen (beispielsweise die Schaffung von Personalstellen und Investitionen) sollten sich an diesen Entwicklungen ausrichten. Nur dann lassen sich Defizite und Fehlinvestitionen vermeiden. Darum müssen Kirchgemeinden eine längerfristige Finanzplanung machen.

Was plant die Gesamtkirchgemeinde bezüglich Personalaufwand?

Beim Personalaufwand plant die Gesamtkirchgemeinde eine Fortschreibung des gegenwärtigen Zustands. Das heisst, vermutlich soll ein Drittel der Personalkosten weiterhin in der Zentralverwaltung (dem Kirchmeieramt) anfallen; hingegen nur zwei Drittel in den zwölf  Kirchgemeinden. Zunächst soll es 2023 bis 2025 noch zu weiteren Kostensteigerungen durch Ausbau der zentralen Verwaltung kommen. Der Personalaufwand der zentralem Verwaltung im Kirchmeieramt hatte sich seit 2015 schon von rund CHF 2.5 Millionen auf rund CHF 5 Millionen verdoppelt. Bis 2027 rechnet der Kleine Kirchenrat dann gegenüber dem Höchststand von rund CHF 14.4 Millionen jährlichem Personalaufwand mit Einsparungen von CHF rund 700'000. Diese geplanten Kosteneinsparungen werden nicht erläutert. Sie könnten durch Wegfall von befristeten Stellen bei der Digitalisierung und Auflösung von Johannes und Frieden allenfalls erklärt werden. Realistisch sind die vorgelegten Zahlen auf der Kostenbasis von heute; also dann, wenn Teuerung und Wachstum nicht berücksichtigt werden.

Wie realistisch ist die Planung beim Sachaufwand?

Für 2027 ist der geplante Sachaufwand CHF 7 Millionen (anstatt 2023 CHF 8,5 Millionen). Aufgrund der vorgelegten Informationen lässt sich nur spekulieren, wie diese Einsparungen zustande kommen. Führen die Auflösung von Johannes und Frieden zu derart hohen Einsparungen? Soll der heute schon viel zu tiefe Unterhalt der Liegenschaften weiter reduziert werden? Falls die Einsparungen nicht glaubhaft gemacht werden können, sollte für eine vorsichtige Planung besser mit einem mindestens gleichbleibenden Sachaufwand gerechnet werden.

Was ist bezüglich Kirchen und Kirchgemeindehäuser geplant?

Der Finanzplan sieht weiterhin praktisch keine Ausgaben, Rückstellungen oder dergleichen für den Werterhalt der Kirchen und Kirchgemeindehäuser vor. Nur in folgenden Kirchgemeinden sind grosszügige Investitionen bzw. Neubauten geplant: Heiliggeist, Markus, Bümpliz.

Wie werden sich die Mitgliederzahlen entwickeln?

Der Finanzplan geht davon aus, die Zahl der Mitglieder bleibe bis 2027 beinahe gleich wie heute. Diese Prognose scheint ziemlich unrealistisch. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Mitglieder zunehmend zurückgegangen. Im letzten Jahr betrug der Mitgliederschwund mehr als 2 %; gleichzeitig ist aber die allgemeine Bevölkerung um 0.9% gewachsen. Grund für die Verluste sind nicht nur Tod und Austritte, sondern auch fehlende Meldungen von Kindern oder bei Beginn der Steuerpflicht bzw. Umzug. Für eine belastbare Finanzplanung sollte mit einer realistischen Entwicklung der Mitgliederzahlen gerechnet werden.

Dürfen wir 2027 mit einem ausgeglichenen Budget rechnen?

Nein. Die im Finanzplan vorgelegten Zahlen müssen korrigiert werden. Zunächst sollten bei den Steuereinnahmen Teuerung und Wachstum nicht berücksichtigt werden, weil sie auf der Kostenseite auch nicht eingeflossen sind. Denn grundsätzlich wirken sich Teuerung und Wachstum auf der Kosten- und Einnahmenseite aus. Das ist ganz einfach: Beispielsweise gibt es höhere Steuereinnahmen bei den natürlichen Personen nur, wenn auch höhere Löhne bezahlt werden. Schon nach dieser ersten Korrektur resultiert im Finanzplan ein Defizit von mehr CHF 1.5 Millionen. Passt man zudem die Entwicklung der Mitgliederzahlen an ein vorsichtig optimistisches Szenario an, beträgt das Defizit im Jahr 2027 fast CHF 3 Millionen. Korrigiert man schliesslich noch die unrealistischen Planungen der Sachkosten, beträgt das von der Gesamtkirchgemeinde für 2027 geplante Defizit fast CHF 4.5 Millionen.

Bei diesem Defizit handelt es sich nicht um ein einmaliges Defizit, sondern um ein strukturelles Defizit. Die Gesamtkirchgemeinde kann sich diese Defizite nur für kurze Zeit leisten, danach sind die noch vorhandenen Reserven aufgebraucht. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich ist eine solche Planung unzulässig.  Denn das Gemeindegesetz verpflichtet die Kirchgemeinden zu einem ausgeglichenen Finanzhaushalt.

Was bedeutet der Finanzplan für Fusion und Totalrevision Organisationsreglement?

Der Finanzplan ist eine wichtige Grundlage für die Zukunftsplanung. Der Finanzplan zeigt, dass die gegenwärtigen Strukturen zu strukturellen Defiziten führen. In den gegenwärtigen Strukturen sind die einzelnen Kirchgemeinden für das kirchliche Leben verantwortlich, während die Finanzen durch die zentralen Organe der Gesamtkirchgemeinde verteilt werden. Dies führt zu einer falschen Verteilung der Mittel, weil die Zentralorgane den kirchlichen Auftrag aus den Augen verlieren und der Verwaltung zu viele Mittel zuhalten. Diese Strukturen sind darum ungeeignet, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Die Projekte Fusion und Totalrevision verschärfen die bestehenden Probleme noch. Denn die Zentralorgane werden noch mehr Ressourcen benötigen, die für die kirchliche Arbeit fehlen werden.